23.10. Verdens beste
Während ich im Ö1-Morgenjournal dem Bericht über die Schneelage in Österreich nach der massiven Kaltfront vom Tief „Gonzalo” lauschte, setzte sich das Geräusch des Dauerregens in Oslo im Hintergrund fort. Mit dem lange unbenützten – weil beim Radfahren unhandlichen – Regenschirm brach ich heute etwas früher auf und kaufte mir eine 30-Tages-Karte. Andächtig tauchte ich in die überschaubare Menge öffentlich reisender Erwerbstätiger ein. Der ungewohnten Situation mit Optimismus begegnend stieg ich froh über die trockene Anreise bei der Station „Forskningsparken” aus und hielt auf dem kurzen Fußweg zum SINTEF wachsam Ausschau nach polnischen Autos. Dabei schenkte ich jedoch dem Gehsteig zu wenig Aufmerksamkeit, sodass ich zielsicher in eine voluminöse Lacke stieg und mich um rücksichtslose Autofahrer nicht länger sorgen musste.

Dank hoch affiner chemischer Bindungen zwischen dem Rauleder meiner Winterschuhe und dem aufgetragenen Imprägnierungsspray blieben meine Füße dennoch trocken, sodass ich sie bei der erneuten Eroberung von Per Arnes Büro bedenkenlos auf den Schreibtisch hätte legen können. Nachdem ich die Auswertung der vergangenen Analysen am Nachmittag fertiggestellt hatte, erlaubte ich mir, den Drucker nach Lisas Vorbild für private Zwecke zu nutzen und ein paar Rezepte auszudrucken. Wegen der Lieferungen von Martina, Michi und Steffi legte ich dabei den Schwerpunkt auf Nuss und Mohn.

Mit auf den Heimweg nahm ich auch die Quintessenz aus Jons Sequenzierungsanalyse. Nach dem Fehlversuch am Dienstag hatte die ohne Lisa und mich angesetzte PCR die DNA in gewünschter Weise vervielfältigt, sodass er mir die eindrucksvollen Genmutationen einiger Proben zeigen konnte. Angesichts der vielen Einflussgrößen auf den Erfolg einer PCR können wir die Ursache für das Versagen des ersten Ansatzes getrost dem Zufall in die Schuhe schieben.

An das absolut unnorwegische Gefühl, auf dem Heimweg von der Arbeit anstatt der Absichten anderer Verkehrsteilnehmer ein Buch lesen zu können, muss ich mich erst gewöhnen. Als kompensatorische Maßnahme bereitete ich den norwegischen Nationalkuchen zu, der mich beim letzten kakelunsj (Eintrag vom 10.10.) beeindruckt hatte. Mein „Verdens beste” (= der Weltbeste) verdiente diese Bezeichnung wegen einer vom Rezept abweichenden, viskösen Vanillecreme auf einem nahezu unschneidbaren Mandelboden zwar nicht, lieferte aber trotzdem ein annehmbares Geschmackserlebnis.

Verdens beste

Obwohl Andi mir am Abend freihändig ein Organigramm mit all seinen Auftraggebern, Projekten und Baustellen zeichnete, fehlt mir immer noch der Durchblick in dieser internationalen Angelegenheit. Gordon und er müssen nicht nur mit der sprachlichen Barriere kämpfen, sondern werden teilweise mit unmenschlichen Aufgaben betraut, die jeden Rahmen sprengen, aber nicht angemessen bezahlt werden. Dagegen sind meine langen To-Do-Listen geradezu eine Lappalie.