9.10. Donnerwetter
Die Lehren aus den bisherigen niederschlagsreichen Tagen ziehend, begab ich mich ganz in norwegischem Stil mit einer langen Lauflegging außer Haus. Über Jacke und Rucksack schmückte ich mich mit dem Werbe-Poncho und der Warnweste. In diesem Aufzug bemerkte ich beim Tausch des Rücklichtes, dass es nicht abgenommen, sondern abgebrochen (worden) war. Vielleicht sollte ich mein vorschnelles Urteil über den Diebstahl revidieren und mein eigenes Verschulden bei meinen wilden Ritten in der Vergangenheit nicht länger ausschließen. Obwohl ich die tiefen Lacken weitgehend umschiffte, gelangte über den sinnentleerten Kotflügel einiges an feuchtem Kehricht an die Unterseite meines Rucksacks. Vermutlich hätte ich in Österreich bereits am Dienstag entnervt das Handtuch geworfen. In Oslo aber ließ ich mich von den wetterfesten Einheimischen dazu mitreißen, eine weitere Woche ohne öffentliche Verkehrsmittel auszukommen.

Als Belohnung für meine tüchtigen Fortschritte im Projekt spendierte mir Per Arne wie einem abgerichteten Laboräffchen eine überreife Banane. Da sich meine Nicht-Wegwerf-Mentalität angesichts der hohen Lebensmittelpreise noch verschärft hatte, nahm ich das Geschenk dankbar für die Abwechslung zu den Äpfeln des Rikshospitalet an.

Nachmittags leisteten Lisa und Stine Jon und mir zu einer weiteren Runde kollektiver Polypen-Homogenisierung („chopping polyps”) Gesellschaft. Diesmal stand Stine vor einer Blutuntersuchung, weil sie sich in der Makropathologie geschnitten hatte. Während für die beiden Pathologie-Assistentinnen der Umgang mit dem Skalpell langweilige Routine darstellte, empfand ich diese handwerkliche Tätigkeit als willkommene Abwechslung zu meiner Datenarchivierung und Dokumentation.

Dankenswerterweise erhielt ich vom Veranstalter der Bygdøymila per E-Mail nähere Informationen, die ich Steffi weiterleiten konnte. Bei Voranmeldung belief sich das Nenngeld auf 250 NOK (ca. 32 €), bei Nachnennung auf satte 400 NOK. Als Andenken würden die zu erwartenden mehr als 500 Teilnehmer eine Haube bekommen. Für eine Voranmeldung war jedoch ein norwegisches Bankkonto Voraussetzung. Der Veranstalter schlug mir vor, einen Freund von mir um das Begleichen der ausgestellten Rechnung zu bitten und ihm dafür Bargeld auszuhändigen. Mit Andi und meinen Arbeitskollegen gäbe es dafür einige Optionen.

Motiviert von dem bevorstehenden Bewerb drehte ich eine Runde an der Akerselva. Als sich eine tiefschwarze Cumulus-Wolke vor die wärmende Sonne schob, schwante mir bereits Böses. Nach einigen Minuten Gnadenfrist ging ein gewaltiger Regenguss nieder, der sprunghaft an Intensität zunahm. Während zuerst noch gleich gesinnt lächelnde Läufer meine Bahn kreuzten, nahm ich allmählich immer mehr zusammengekniffene Augen und auf rutschiges Laub und undurchsichtige Lacken fokussierte Blicke wahr. Nach diesem kleinen Belastungstest für meinen Positivismus entschädigten mich ein Regenbogen und eine angenehm warme Dusche für die erfahrene Durchnässung.

Angesichts des morgigen kakelunsj verbrachte ich die nächsten 4 Stunden in der Küche. Leider hatte Andi eine sehr arbeitsintensive Woche mit zahlreichen, unausweichlichen Überstunden, sodass ich auf seine Hilfe beim Schälen und Entkernen verzichten musste. Nachdem ich geschätzte 5 kg Äpfel zu Apfelstrudel und Mus verarbeitet hatte, konnte ich auf einen gelungenen zweiten Versuch der Umsetzung von Mamas Rezept zurückblicken. Um das binäre Problem der Rosinen – entweder werden sie verabscheut oder heiß geliebt – zu umgehen und Stines Allergie auf Nüsse zu berücksichtigen, bestückte ich Roberts Retro-Reine mit drei unterschiedlichen Apfelstrudel-Varianten. Die Maus für Stine (Eintrag vom 4.10.) war sogar größer geraten als geplant.

3 verschiedene Apfelstrudel

Zum Schlafengehen erlebten wir ein nicht enden wollendes Gewitter mit Blitz und Donner. Vermutlich ließ uns Thor seinen Zorn spüren, da Andi zuvor seine Portion Shrimps-Spaghetti über den Wohnzimmertisch verteilt hatte.