26.9. Start meines Forschungsprojekts
Nach einer Arbeitswoche, in der ich täglich eine andere Analyse kennengelernt hatte und Gefahr lief, die Details durcheinanderzubringen, bereitete Per Arne mir einen angenehmen Übergang in das Wochenende. Er schickte mich zu einer Vorführung in die Makropathologie, wo zwei geschäftstüchtige Schweden den sogenannten TMA-Master vorstellten und ausprobieren ließen. Da die meisten Kollegen bereits gestern der Werbeveranstaltung beigewohnt hatten, wurde mir abgesehen von der Kurzvisite zweier Pathologen ein bemerkenswertes Betreuungsverhältnis von 2:1 zuteil.

Mit dem TMA-Master (tissue micro array) können aus mehreren Donor-Paraffinblöcken Proben mit ca. 1 mm Durchmesser ausgestanzt und in vorgebohrte Löcher eines Empfänger-Blocks transferiert werden. Eine Kamera zum Erfassen der Proben-Identifikation und der Blockoberfläche speist ihre Daten in eine Software ein, mit der sogar histologische Schnitte verknüpft und dem jeweiligen micro array zugeordnet werden können. Kurzum – der TMA-Master wurde entwickelt, um die Herstellung von TMAs zu standardisieren und zu vereinfachen und Verwechslungen bei der Befundung der winzigen Bohrlöcher, die jeweils Gewebe eines anderen Patienten und / oder Organs enthalten können, zu vermeiden. Natürlich handelt es sich dabei um ein unverzichtbares Gerät für jedes Pathologie-Labor! ;)

Nach einer guten Stunde, in der ich schließlich meinen eigenen TMA aus Paraffinblöcken mit Herz (hjerte), Milz (milt) und Leber (lever) zusammengestückelt hatte, nahm ich an einer Besprechung teil und lernte Tor J., den Leiter der Forschungsgruppe für gastrointestinale Pathologie und Hautkrebs, also Per Arnes Chef, kennen. Ohne dieses Wissen hätte man ihn auch für einen weißhaarigen, sehr belesenen, freundlichen und ruhigen Pensionisten halten können.

Nachmittags hatte ich ein Gespräch mit Per Arne, der mir mein Forschungsprojekt umriss. Ich sollte LOH-Analysen mit DNA verschiedener Qualität durchführen und nach dem Erlangen von Sicherheit und Routine in der PCR (polymerase chain reaction zur Amplifikation geringster DNA-Konzentrationen) ein neues LOH-Paket zusammenmischen, das auf andere Chromosomen abzielt und künftig in der Diagnostik eingesetzt werden soll. Sollte dieses ambitionierte Vorhaben erfolgreich sein, könnte ich vielleicht sogar als Nebenautorin einer Publikation aufscheinen. Mit freier Zeiteinteilung sollte ich meine Experimente nun eigenständig planen und durchführen und war mit einem Schlag vom Zuschauer zum Akteur aufgestiegen. Bei Fragen und Unklarheiten über die Details könnte ich mich jederzeit an Per Arne, Jon und alle anderen Kollegen der Molpat wenden, denen ich in den vergangenen zwei Wochen über die Schultern geschaut hatte.

Für den Anfang erhielt ich zwei erlesene DNA-Proben aus den 80er-Jahren, die von Patienten mit Darmpolypen extrahiert worden waren, deren genetisches Profil nicht verwandt sein sollte und dadurch eher verschiedene Allele aufweisen würde. Aufgrund der hohen DNA-Konzentrationen in den Eluaten sollte ich zunächst einige Verdünnungen anfertigen und deren Effekt auf die PCR studieren. Während ich mich mit den Berechnungen nicht lange aufhielt, haderte ich, weil ich von Anfang an professionell arbeiten wollte, ein wenig mit der Etikettiermaschine, bevor ich die gewünschten Aufkleber für MEINE :) Röhrchen in Händen hielt. Plötzlich hatte ich auch die Verantwortung inne, nach jedem Arbeitsschritt die Proben richtig zu lagern. Nachdem mir meine Kolleginnen MEINEN :) Platz im Kühlschrank zugewiesen hatten, konnte ich beruhigt und voller Vorfreude auf die kommende Woche ins Wochenende radeln.

Dabei änderte ich meine Route ein wenig ab, um mir für 50 NOK (ca. 6 €) eine gebrauchte Küchenwaage (brukt kjøkkenvekt) von Daniel in Bølerlia abzuholen. Mit einem Detailplan der Route in meinem Korb schaffte ich es ohne Umweg an das vom Rikshospitalet 13 km entfernte Ziel. Dabei genoss ich eine Fahrt durch sonnendurchflutete, herbstliche Alleen, vorbei am blitzblauen Østensjøvannet und schließlich hinauf in das abgelegene, hügelige Stadtviertel im Südosten Oslos. Trotz des abnehmenden Verkehrsaufkommens wurde ich Ohrenzeugin eines Autounfalls mit harmlosem Blechschaden in der Nähe einer Schule. Daniel begrüßte mich mit den Worten, dass er nicht mit mir gerechnet hatte, weil die Interessenten an seiner Küchenausstattung meist aufgeben, nachdem sie die Adresse erfahren haben. Dabei betrachtete ich diesen Radausflug durch das reizvoll herbstliche Oslo vielmehr als günstige Gelegenheit, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden. Das nächste Sauerteigbrot würde jedenfalls nicht an der falschen Mehlmenge scheitern.