28.10. Produktiv
Zum Frühstück bei Tageslicht fusionierten Andi und ich zwei Kuchenrezepte, die ich vor einem Monat bei meinem Kurzbesuch zu Hause aus Mamas altbewährtem Kochbuch fotografiert hatte. Dazu diktierte ich ihm eine detaillierte Anleitung für die Zubereitung, weil ihm mit der reinen Zutatenliste für seinen Geburtstagskuchen nicht geholfen sein würde.
Bei erstaunlichen 14°C radelte ich erneut gegen den Sturm und hatte gelegentlich Mühe, die Spur zu halten. Danach verbrachte ich einen arbeitsintensiven, produktiven Tag im Labor. Im Gegensatz zu meinen ersten zwei Wochen als Zuschauer auf der Makropathologie genoss ich die Geschäftigkeit und das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun. Zum Pipettieren gab „Radio Norge” mit norwegischem Reggae und sanftem Techno den Rhythmus vor. Beinahe pünktlich zum lunsj hatte ich die Kapillarelektrophorese-Apparatur mit zwei bis auf die letzte Vertiefung vollen PCR-Platten belagert und zwei neue Platten für die DNA-Amplifikation (PCR) in die Thermocycler eingebracht. Nachmittags unterwarf ich noch drei Platten der PCR. Mit einer Überstunde hätte ich sogar noch die Fertigstellung der kapillarelektrophoretischen Fragmentanalyse abwarten und einen neuen Lauf starten können. Um morgen auch noch mit abwechslungsreicher Arbeit eingedeckt zu sein, verließ ich jedoch zur gewohnten Zeit das Labor.
An der Akerselva nutzten einige Kinder die stürmischen Verhältnisse, um ihre bunten Drachen steigen zu lassen. Zu Hause erwischte mich Andi beinahe am falschen Fuß, weil er ungewohnt früh von der Arbeit heimkam. Obwohl in seinem Vertrag weder Zeitausgleich noch bezahlte Überstunden noch Urlaubsgeld vorgesehen sind, wird seine Leistung nicht nach Arbeitsstunden, sondern nach Produktivität gemessen. Da morgen sein Geburtstag war, ließ er die offenen Aufgaben dennoch ruhen und widmete sich seinem ersten selbst gebackenen Kuchen seit Kindheitstagen.
Durch das Anzüchten des Sauerteigs war leider unsere einzige Rührschüssel besetzt, sodass ich von den Nachbarn eine Küchenmaschine oder zumindest eine Schüssel ausborgen wollte. Obwohl ich frisch geduscht in die Spione lächelte, öffnete erst im zweiten Stockwerk über uns jemand die Tür. Da die Küche des Studentenpaares mit keiner Plastikschüssel dienen konnte, kehrte ich unter vorgespielter Dankbarkeit mit einer robusten Keramikschüssel als Notlösung von meinem Ausflug ins Stiegenhaus zurück. Nachdem ich Andi vorgewarnt hatte, dass der Mixer bereits auf niedrigster Stufe auf Hochtouren läuft, überließ ich ihm die Küche. Gelegentlich erkundigte er sich nach der korrekten Umsetzung von Definitionen wie „schaumig” und „unterheben”. Abgesehen davon fabrizierte er seinen Schoko-Nuss-Kuchen völlig ohne meine Hilfe. Dabei leistete die geborgte Keramikschüssel wider Erwarten brauchbare Dienste. Durch das exakte Einhalten der maximal 10-minütigen Verarbeitungszeit von Backpulver ging das Werk in der Kastenform gewaltig in die Höhe. Diese Aufgabe werden morgen früh bei dem Sauerteigbrot die Hefepilze übernehmen, von deren erfolgreicher Vermehrung der Geruch bereits zeugt. So intensiv und produktiv wie heute und morgen kann diese Küche, gemessen an der vorhandenen Ausstattung, bisher nicht genutzt worden sein.
woodmenka am 28. Oktober 14
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