17.10. Pathologische Geburtstagstorte
In den vergangenen Tagen hatte es sich bereits angekündigt, dass demnächst das Schloss zum Fahrradkäfig im Hof entweder einen Schlüssel erbarmungslos gefangen halten oder von vornherein nicht einlassen würde. Vorsorglich mit Schmieröl bewaffnet standen Andi und ich heute früh tatsächlich vor dem Käfig, dessen Schloss mit einer laminierten Notiz verhängt war, dass es seiner nachmittäglichen Reparatur durch einen Profi harrte. Da ich nichts unversucht lassen wollte und mich von diesem Blatt Papier nicht abschrecken ließ, bat ich Andi um den Einsatz seines Zaubersprays. Nachdem das Schloss wie geschmiert aufgesprungen war, würde der Schlosser heute umsonst kommen. Andi könnte hingegen der Hausverwaltung eine unverschämt hohe Honorarnote für diese harte Arbeit von 10 Sekunden ausstellen.
Im Nieselregen, durchsetzt von böigem Wind, und noch ohne Tageslicht schwirrten wir schließlich doch mit den Rädern nach Sogn bzw. Helsfyr aus. Bei der Fragmentanalyse der bunt zusammengewürfelten, alten und neuen colorectalen DNA-Eluate mittels Kapillarelektrophorese war meine Konzentration einigermaßen gefordert. Obwohl ich keine aktuellen Patienten befunde und damit den Weg für eine Therapie ebne, darf ich mir keine Probenverwechslungen erlauben und muss auf die richtige Beschriftung, Benennung und Zuordnung der Daten zu den Proben achten.
Als willkommene Abwechslung zur Bildschirmarbeit begab ich mich mit Jon wie jeden Freitag zur von Per Arne geleiteten Besprechung der Forschungsgruppe für gastrointestinale Tumore und Melanome ins Rikshospitalet. Lisa hatte für ihren 30. Geburtstag einen Roten Samtkuchen (red velvet cake) gebacken und liebevoll mit einer Marzipan-Buttercreme verziert. Mit ihrer Bemerkung, die rote Farbe käme vom gestern aufgeschnittenen Leberpräparat, wurde erneut der Sinn für pathologischen Humor auf die Probe gestellt. Unbeeindruckt von den Bildern vor dem geistigen Auge ließen wir uns die üppige Torte schmecken, bevor wir zu den ernsteren Tagesordnungspunkten übergingen. Mein Geschenk für Lisa hatte ich in ein mit Leuchtstiften verziertes Kuvert eingepackt, da das Molpat-Labor wider Erwarten nicht über dekoratives Geschenkpapier und Zierschleifen verfügte.
Nachmittags nutzte ich den zellulären Glukose-Einstrom für die weitere Auswertung meiner Ergebnisse. Dazu erhielt ich erfreulicherweise die Nachricht, dass Steffi sich schon im Flieger nach Oslo befand. Wegen Per Arnes Kommunikationsfreude vor dem Wochenende musste ich bei meiner Fahrt durch den Regen erneut Gordons beispiellosem Stil des risikoliebenden Radfahrers folgen, um Steffi halbwegs pünktlich vom vereinbarten Treffpunkt bei der U-Bahn-Station Tøyen abzuholen.
Nachdem wir Steffis Gepäck in der Wohnung zurückgelassen hatten, zeigte ich ihr die Akerselva in der Abenddämmerung. In einer Unterführung kam uns ein lebensmüder Radfahrer ohne Licht und Reflektoren entgegen, der auf dem regennassen Laub gewaltig ins Schleudern geriet, als er mit seinem Handy in der rechten Hand nur mit Mühe der nicht weniger in Schrecken versetzten Steffi auswich.
Steffis seit kurzem bestehender, rein dienstlicher Verbindung zur Brauunion verdankten wir eine interessante Aufwertung des selbst gemachten fiskegrateng. Die unverwechselbaren Biere vom Hofbräu Kaltenhausen in den Geschmacksrichtungen Riesling und Maroni erhielte man hierzulande wegen ihres Alkoholgehalts von 8 bzw. 6,9 Volumsprozent nur zu eingeschränkten Öffnungszeiten im
Vinmonopolet. Vielen Dank, liebe Steffi, für diesen einzigartigen Gruß aus der Heimat und für die den Rahmen meiner Bestellung sagenhaft sprengende Lieferung!
woodmenka am 21. Oktober 14
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