5.10. Ein norwegischer Sonntag
Bei meinem bereits zur Tradition gewordenen Sonntagslauf nach Bygdøy entdeckte ich nicht nur die wunderschöne Strandpromenade, sondern auch einige Transparente mit der Ankündigung der Bygdøymila, einem Laufbewerb über eine norwegische Meile, also 10 km, der am 19.10. stattfinden würde. Da ich an besagtem Wochenende als dritte Besucherin Steffi in Empfang nehmen würde, wollte ich ihr dieses Ereignis als Programmpunkt für ihren Aufenthalt schmackhaft machen, um uneigennützigerweise selbst daran teilnehmen zu können.
Heute setzte ich außerdem ein schon länger gehegtes Vorhaben in die Tat um, indem ich zur 11-Uhr-Messe in der Domkirke radelte. Beim Eingang wurden mir ein Gotteslob und ein Programmheft für die Høymesse (= Hochamt) auf Norwegisch überreicht, was wohl den touristischen Anspruch erfüllen soll. Unter den wenigen Messbesuchern fanden sich nach meiner Einschätzung tatsächlich kaum Einheimische. Außerdem waren die Bänke nur am Rand besetzt. Vor der Messe verkündete der Chorleiter in einem weißen Überkleid einige Neuerungen, wobei ich sinngemäß verstand, dass ein neues Gotteslob verwendet würde und man trotzdem kräftig mitsingen sollte. Pfarrer, Mesnerin, Ministranten und der gesamte Kirchenchor zogen durch das Hauptportal ein, während sich das Volk ihnen stehend zuwandte. Da im Programmheft sogar die Lesungen abgedruckt waren, konnte ich die ungewöhnliche Aussprache mancher Wörter mit dem Textbild verknüpfen. Trotz sprachlicher Unsicherheiten erlaubte ich mir, aus vollem Hals mitzusingen, was mir bei „Halleluja” und „Amen” besonders unauffällig gelang.
Von der Predigt des Pfarrers, dessen vermeintlich nassen Haare während der ganzen Messe nicht trockener wurden, verstand ich immerhin, dass er ausdrücklich auf die Deckenfresken hinwies. Dies unterstrich er von der Kanzel aus mit ausladenden Gesten und der sangbaren norwegischen Sprachmelodie. Nach dem Agnus Dei (= Guds Lam) und dem Friedensgruß (= Fredshilsen bzw. „Guds fred”) empfing ich die laut Programmheft glutenfreie Kommunion (= Utdeling). Ungewohnt waren für mich die Eucharistiefeier, die der Pfarrer mit dem Rücken zur Gemeinde zelebrierte, sowie der 3x3-Glockenschlag zum Auszug. Beeindruckt von dieser Messe werde ich während meines Aufenthalts bestimmt noch weitere Gelegenheiten dazu wahrnehmen und auch andere Kirchen aufsuchen.
Während Andi mit Gordon und Anna II eine Fahrradtour unternahm, bereitete ich nach einem Rezept auf der Verpackung des Lammfleisches meinen ersten fårikål zu. Nachdem ich ein paar Vokabel nachgeschlagen hatte, kochte ich das Nationalgericht mit einigen Abänderungen nach. Statt mich nur auf Salz und Pfeffer zu beschränken, fügte ich darüber hinaus Koriander, Knoblauchzehen und Kümmel zu. Die vorgeschriebene mehrstöckige Schichtung von schiffchenförmigen (= båt-formet) Kraut-Achteln über Lammfleischstücken befolgte ich ebenso wie die zweistündige Garzeit, in der das Kraut zwar tot gekocht, das Fleisch aber aromatisch zart wurde. Schließlich duftete und schmeckte das Gericht mindestens so gut wie, wenn nicht sogar besser als, der fårikål aus der Kantine (
Eintrag vom 25.9.).
Um den für morgen prognostizierten Regen bereits während der Morgentoilette in aller Deutlichkeit wahrzunehmen, putzte ich anschließend unter Ausschöpfung meiner Möglichkeiten die Fenster. Da sie weder gekippt noch sperrangelweit geöffnet werden können, hinterließ ich außen trotz aller Bemühungen, meinen Arm durch den schmalen Spalt in der Mitte bis zum Fensterrahmen auszustrecken, gezwungenermaßen an den oberen Ecken einen putzfreien Radius, der dem eines Autoscheibenwischers glich.
Per Arnes Vorhersage, dass ich in der kommenden Woche um die T-banen (= U-Bahn) nicht herumkommen würde, betrachtete ich dennoch als Herausforderung. Während mangels Nebels der Herbst in Oslo weiterhin in vollem Glanz erstrahlte, kramte ich aus den Untiefen meines Gepäcks vorsorglich den mit Werbeaufdrucken eines österreichischen Radiosenders imprägnierten Regenponcho und die XL-Warnweste eines österreichischen Pannendienstes hervor.
Nun zu den Meldungen der Sonnenauf- und -untergangszeiten:
Oslo: 7:30 und 18:39
Wien: 6:58 und 18:27
woodmenka am 09. Oktober 14
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