25.9. Fårikål-Tag
Als Alternative zum „Raumschiff” zeigte mir Ingun heute die manuelle Elution von DNA aus EDTA-Blut, die kurz gesagt auf Adsorption an einer Silikat-beschichteten Säule beruht. Da das Scannen der Quell- und Zielröhrchen, der Abfallbehälter und Reagenzien vor der Prozessierung entfällt, eignet sich die herkömmliche Methode zur Gewinnung von DNA besonders für einzelne Proben mit Dringlichkeitsvermerk. In diesem Fall wurde eine LOH-Untersuchung angeschlossen, mit der ich im Rahmen des Forschungsprojekts regelmäßig konfrontiert sein würde.

Die DNA mancher Tumore verändert sich während ihres Fortschreitens derart, dass auf einem oder mehreren Chromosomen ein Allel verloren geht. Waren ursprünglich zwei Allele vorhanden, also je ein unterschiedliches von Mutter und Vater, kann dieser LOH (= loss of heterozygosity) molekularbiologisch mit einer PCR nachgewiesen werden. Oft lassen sich daraus prognostische Aussagen ableiten.

Darüber referierte in der Mittagspause, die zu diesem Zweck ausnahmsweise im møterom (= Konferenzzimmer), quasi meinem Büro, abgehalten wurde, mein Betreuer Per Arne.

Mein Büro / Der Konferenzraum

Während wir unser jeweiliges matpakke verspeisten, gab er Einblicke in Ätiologie, Risikofaktoren, genetische Mutationen, Onkogene und prognostische Charakteristika im Zusammenhang mit colorectalen Tumoren (Dickdarmgeschwüre und -krebs).

Da Per Arne auf makropathologische Illustrationen verzichtete, verging mir nicht der Appetit auf das Nationalgericht Fårikål, dem jährlich der letzte Donnerstag des Septembers gewidmet ist. Erstaunlicherweise stand es nicht auf dem Speiseplan der SINTEF-Kantine. Doch von der Pathologie-Assistentin Lisa wusste ich, dass im Rikshospitalet nicht darauf vergessen würde. Notfalls könnte ich mit viel Geduld und Standfestigkeit auf der Karl Johans gate im Stadtzentrum eine kostenlose Geschmacksprobe ergattern.

Nach der Arbeit kundschaftete ich zunächst das an das Rikshospitalet angrenzende Hotel aus. Stine hatte dort während ihrer freizeitlosen Monate oft das Angebot ausgenutzt, für 75 NOK unbegrenzten Nachschlag eines Fleisch- oder Fischgerichts zu erhalten. Der gestiegenen Nachfrage nach Fårikål schrieb ich den eklatanten Preisaufschlag zu, sodass ich als zweite Anlaufstelle die Mitarbeiter-Kantine des Rikshospitalet wählte. Dort erstand ich schließlich um 69 NOK (ca. 9 €) eine Styroporbox mit dem dampfenden Kraut-Lammfleisch-Eintopf. Da diese leider nicht versiegelt war und keinen verlustfreien Transport in einem Fahrradkorb garantieren konnte, begab ich mich in die Makropathologie und fragte eine ehemalige Kollegin nach Klebeband. Zusätzlich brachte sie mir einen gelben Plastiksack aus dem Präparationsraum. Im Vertrauen, dass dieser unbenutzt war, wickelte ich die Styroporbox noch großzügiger als meinen Koffer mit dem bewährten Klebeband ein und trug die nicht mehr ganz so viel Duft verbreitende Fracht in dem Plastiksack zu meinem Fahrrad. Vor dem Heimweg beehrte ich noch die 6 herrenlosen Apfelbäume an der Zufahrtsstraße zum Rikshospitalet und erleichterte sie um ihr Fallobst. Mit Fårikål im Fahrradkorb und Äpfeln im Rucksack radelte ich, einen weiten Bogen um Kanaldeckel und Gehsteigkanten ziehend, nach Hause. Als ich dort den Plastiksack heraushob, fühlte ich bereits einen warmen See, der sich unter der Styroporbox gebildet hatte. Doch die Servietten hatten einen hervorragenden Dienst geleistet, sodass sich die Sauerei beim Umladen des Fårikål in eine ansehnliche Schüssel in Grenzen hielt.

Bei meinem Lauf an der Akerselva im kurzen Gewand traf ich trotz spätsommerlicher Temperaturen ausschließlich auf Läufer in Winteradjustierung. Sind die Norweger doch nicht so hartgesotten, wie allseits behauptet wird? Oder besitzen sie schlicht keine Kleidung für warmes Wetter? Ohne eine Antwort darauf zu erhalten, ließ ich mir anschließend das Nationalgericht schmecken. Es zeichnete sich durch sparsamen Einsatz von Salz und Pfeffer, den dadurch intensiv hervortretenden Eigengeschmack des Lammfleisches und ziemlich tot gekochtes Kraut aus. Allzu schwierig würde das geplante Nachkochen auf eigene Faust nicht sein!

Fårikål