23.8. Internationale Küchenfestspiele
Das einladende Wetter verleitete uns zu einer Wanderung auf den dritten Hausberg, den Rundermanen mit einer Höhe von 568 m. Während an der Talstation der Fløibanen eine lange Schlange auf die Bergfahrt wartete, trugen uns unsere strammen Waden die Stufen und Serpentinen wie von selbst hinauf.

floibanen

Entlang eines Wasserfalls, der von einem fast schon über der lokalen Baumgrenze liegenden Trinkwasserspeicher gespeist wird, fanden wir einige Birkenpilze, bei deren Identifikation wir bereits als selbstbewusste Kenner auftraten. Knapp unterhalb des Gipfels machten wir eine Rast, von der uns die ersten Regentropfen aus der verlässlichen Bergener Wetterküche bald verjagten.

rundermanen

powergirls

Mit Regenschirm und / oder vermeintlich wasserdichter Kleidung wagten wir trotz der bedrohlichen Schwärze des Himmels den Gipfelsturm. Drei Meteorologen werden wohl wissen, was sie tun. Nach einem Abstieg zum Fløyen erreichten wir völlig durchnässt die Aussichtsplattform. Mit Fantasie konnte man den hinter dem Regenschleier verborgenen Ausblick erahnen.

Als wir zu Fuß an der Talstation ankamen, wärmten uns einige Sonnenstrahlen, da der Regen entweder durch die fortgeschrittene Zeit, die leeseitige Abtrocknung oder die schiere Unvorhersagbarkeit des Westküsten-Wetters nachgelassen hatte. Mit einem Abstecher beim Lepra-Museum konnte ich auch die letzte mir wichtige Sehenswürdigkeit Bergens abhaken. Zwischen 1850 und 1900 gab es in Bergen nicht nur drei Krankenhäuser für Lepra-Patienten, sondern auch europaweit die meisten Krankheitsfälle pro Einwohnerzahl. Laut meinem schlauen Museumsführer wird Lepra nach dem Entdecker des Erregers auch Hansen-Krankheit genannt.

lepra

Was wir mit den mindestens 4 Monate alten, auf meteorologischen Expeditionen mitgereisten, rot eingeschweißten Babybel machten, die Valerie in den Untiefen ihrer Jacke fand, bleibt der Fantasie des Lesers überlassen.

Nach einer wohltuenden heißen Dusche besorgten wir gemeinsam mit Steffi, einer quirligen deutschen Meteorologin, die im selben Haus wohnt, die Zutaten für chinesische Knödel. Steffi hatte zu einem gemeinsamen Kochen und Essen 6 Studenten eingeladen, wobei wir sogar eine Stunde früher kommen durften, um ihren W-LAN-Rooter mit drei Laptops herauszufordern. Unter den strengen Augen einer chinesischen Expertin erlernten wir die richtige Technik, um aus den hauchdünnen Miniatur-Teigfladen – teils selbst gemacht, teils gekauft – mit einer Füllung aus Faschiertem, Lauch und Ingwer dekorative Taschen zu falten. Dennoch entwickelte jeder seine eigene Methode, sodass wir schließlich 7 unterschiedliche Chargen frittierten und kochten. Mit einer für mich neuen norwegischen Biersorte, Ringnes, die sich geschmacklich nicht nennenswert vom Frydenlund abhebt, einem griechischen Retsina, der wegen der außerirdischen Zeichen zunächst als russischer Weißwein angeboten wurde, deutschem Riesling und Campari feierten wir eine kleine internationale Party. Steffi besitzt die englische Version von Tabu, einem Spiel, bei dem unter Zeitdruck möglichst viele Begriffe erklärt und von den Mitspielern erraten werden müssen, wobei einige angeführte, eng verwandte Bezeichnungen eben nicht verwendet werden dürfen, also tabu sind. Drei Österreicher, zwei Deutsche, eine Chinesin und eine Norwegerin meisterten diese Aufgabe mit recht abenteuerlichen Gedankensprüngen, bevor Steffis Übermacht in diesem Spiel doch zu groß wurde. Daher gingen wir dazu über, dass jeder ein Wort bzw. einen Satz auf einen Zettel schrieb, an den Nachbarn weiterreichte, dieser den Begriff bzw. Satz zeichnete, der nächste das Kunstwerk beschrieb, der nächste das Beschriebene malte usw., bis jeder wieder den eigenen Zettel in Händen hielt. Dabei verwandelten sich Mäuse in Bären, Schulkinder in Exhibitionisten und Toiletten in Geldbörsen. Manche Chronologie lohnt es sich zu archivieren…