17.8. Im Nachtzug nach Hamar
Da Erling üblicherweise um 4 schlafen geht und gegen halb 10 aufsteht, hatte ich einen ruhigen Morgen, that’s for sure of course… An dieser Stelle erspare ich mir die genaue Auflistung der grausigen Funde in seinem Kühlschrank bei meiner Suche nach unverschimmelter Butter. Für erwähnenswert halte ich die Entdeckung, dass er Brot, Salz und Pfeffer im Kühlschrank aufbewahrte, wo sich ca. 20 beinahe leere Marmeladegläser befanden und ihrer Entsorgung harrten. Haufenweise Vitamintabletten ersparen ihm wohl den Genuss von frischem Obst und Gemüse.
Bei herrlichem Wanderwetter und ca. 13°C Außentemperatur, also um 3°C weniger als in meinem Schlafgemach, nahm ich einen von Erling empfohlenen Wanderweg auf den nahe gelegenen Hügel hinauf. Der lohnende Ausblick auf Mo i Rana und seinen Fjord wurde lokal nur durch den weißen Rauch des Eisenwerks getrübt.
Um die Mittagszeit kehrte ich mit einer kläglichen Ausbeute von Himbeeren in die Arsenal-Fanzone zurück. Erling entschädigte mich für den gestrigen Stadtrundgang im Halbdunkel mit einer Fahrt zu einem malerischen Hafenabschnitt ohne Industrie. Trotzdem zählte ich bereits die Stunden bis zu meiner Abreise.
Dazwischen fuhren wir noch einmal zurück und während ich meine Sachen möglichst staubfrei packte, erholte sich Erling vor dem Fernseher von der vielen Natur. Ich muss ihm wirklich hoch anrechnen, dass er mir etwas zu essen anbot – gekühltes Brot mit Wurst und Käse, die meiner umfangreichen Geruchsprüfung standhielten. Schließlich statteten wir den alten Häusern am Hafen, von denen eines durch ein an der Fassade befestigtes Tenorhorn imponierte, noch einen Besuch ab, bevor er mich zum Bahnhof brachte, wo ich jede Minute Verspätung des Zuges einzeln verfluchte.
Das mag übertrieben, gehässig und undankbar klingen, aber da ich prinzipiell einiges aushalte und mich nicht leicht aus der Ruhe bringen lasse, ist meine Beschreibung dieses Hauses und dieses Gastgebers wahrscheinlich sogar eher tief gestapelt.
Dafür hatte ich im Zug nach Trondheim angenehme Gesellschaft. Ein belesener, 28-jähriger Trondheimer Betonierer (Freundin und drei Monate alte Tochter, Ende der Spekulationen) überließ mir nicht nur seinen Fensterplatz zum Fotografieren, sondern erzählte mir auch von seinen konkreten Plänen, einen Bauernhof zu kaufen, autark zu leben bzw. ein Hostel aufzubauen und bescherte mir trotz seines Katers von gestern weit reichende Einblicke in Geschichte, Politik, Land und Leute sowie seine Erfahrungen als Bierbrauer, Fischer, Jäger und Fleischhauer. Zu schade! ;)
Im Nachtzug nach Oslo musste ich meinen schon sicher geglaubten Sitzplatz doch noch abtreten und mit der Cafeteria Vorlieb nehmen. Ursprünglich wollte ich um 4:30 in Lillehammer aussteigen, entschloss mich aber, eine Stunde länger bis nach Hamar zu fahren, um mehr Schlaf abzubekommen, und gegen Mittag nach Lillehammer zurückzufahren.
woodmenka am 22. August 14
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15.8. Ein Tag auf den Lofoten
Als um 3:30 der Wecker läutete, war die Dämmerung schon lange vorüber, sodass Lydie und ich den Sonnenaufgang gesehen hätten, wenn es nicht wie aus Kübeln geschüttet hätte. Durch die aufweichende Fahrradfahrt zum Hafen wurden wir recht munter. Das machte sich bezahlt, als wir uns mit der Autofähre weiter vom Festland entfernt hatten, die Wolkendecke der Sonne einige Lücken ließ und wir motiviert das Deck erklommen, um kitschige Fotos zu schießen.
Bei unserem späteren Durchhänger hinderten uns leider zwei kleine Kinder auf der sonst fast unbeseelten 4-Uhr-30-Fähre am Schlafen. Moskenes auf den Lofoten präsentierte sich um 8 Uhr morgens umso verschlafener, windig und kühl, sodass ich auf dem ersten Abschnitt unserer Wanderung nach Å – keine Abkürzung, sondern ein vollständiger Ortsname, der richtig derb ausgesprochen werden will – sogar eine Haube aufsetzte.
Lydie wollte eigentlich nach 2 km ins Gelände einsteigen und an der Westküste der Lofoten biwakieren, beschloss aber, ihrer Müdigkeit geschuldet, mit mir auf der Straße nach Å weiterzugehen und dem französischen Couchsurfer, den sie in der Vorwoche bei sich hatte nächtigen lassen, einen Besuch an seinem Arbeitsplatz, dem Tørrfiskmuseum (= Trockenfischmuseum), abzustatten. Bei aufklarender Bewölkung kamen wir in den Genuss eines sensationellen Fernblicks zur linken sowie der Aussicht auf steile, überaus dicht bewachsene Felswände auf der rechten Seite unseres Weges.
Der Franzose, der aus gedächtnisversagenden Gründen leider anonym bleiben muss, empfing uns bei der Bäckerei, über deren Backstube sein Zimmer lag, wodurch er sich wohl jeden Raumspray ersparte, und lud uns auf Kaffee und eine warme kanel boller (= Zimtschnecke) ein. Dabei handelte es sich um die leicht verkohlte, unverkäufliche, daher an die Hausbewohner verschenkte Ausschussware, deren Benzpyrene wir großzügig den Spatzen überließen, die von mutagenen Substanzen entweder noch nichts gehört haben oder darauf pfeifen. Mit sehr anständigem Englisch führte André (wäre denkbar) uns durch die Museumshütten über Trockenfischverarbeitung inkl. Kostprobe, ausrangierte Fischkutter und das erste Motorboot, Lebertran inkl. Kostprobe (besser als sein Ruf) und eine Schmiede.
Anschließend zeigte er uns seine Lieblingsplätze an der Küste, wo er vor einigen Tagen einen Wal gesichtet hatte. Obwohl uns das verwehrt blieb, kehrten wir mit bleibenden Eindrücken zur Bäckerei zurück. Da die Abfischsaison noch nicht begonnen hatte, waren die unzähligen Holzgestelle zum Trocknen der Fische noch unbehangen, und so mischte sich nur ein dezenter Fischgeruch unter das alles einhüllende Zimtaroma. Dieser haftete dafür sogar dem Trinkwasser an.
Spontan entschlossen Lydie und ich uns, per Anhalter nach Reine nördlich von Moskenes zu fahren, obwohl die Lofoten über ein intaktes, zuverlässiges Bussystem verfügten. Bei drei Bayerinnen im norwegischen Mietauto hatten wir schließlich Erfolg. Der Abstecher nach Reine belohnte uns mit wechselhaften Wetter- und Lichtverhältnissen und dem dritten Regenbogen des Tages, dessen Goldtopf zum Greifen nahe schien.
Lydie änderte laufend ihre Wanderpläne, bis wir bei einem spanischen Pärchen im Auto landeten, das sich auf Hochzeitsreise befand. In der Nähe von Finnbyen stieg sie schließlich aus und ward nicht mehr gesehen. Das junge Paar nahm mich zu den verträumten Klängen spanischer Gitarrenmedleys bis nach Svolvær mit, was insgesamt knapp 130 km waren, wobei wir gelegentlich an fototauglichen Plätzen Halt machten und ich sogar Muscheln sammeln konnte. Die Lofoten kennzeichnet ein alpines Erscheinungsbild mit üppiger Vegetation, das zusätzlich mit Küste, teilweise Sandstrand und Meerblick auftrumpft. Bei 12°C Lufttemperatur verzichtete ich auf eine nasse Erfrischung.
In Svolvær übermannte mich die Neugier auf ein Gericht, das in der EU verboten ist: Walfleisch. Meine moralischen Bedenken waren schon zuvor durch das Wissen, dass Norwegen nicht einmal annähernd seine maximalen Fangmengen ausschöpft und im Gegensatz zu Japan den ganzen Wal verwertet, zerstreut worden. In einem gemütlichen Bistro am Hafen entschied ich mich für ein Walsteak mit Erdäpfelsalat, Vollkornbrot (das war’s wert!) und Salatgarnitur um stolze 200 NOK (ca. 25 €). Das dunkelrote Walfleisch erinnert an Wild, aber die rasch auskühlende Medium-Variante meines Gerichts weckte keine Begeisterungsstürme in mir, sodass mir der Verzicht in Zukunft sehr leicht fallen wird.
Einem Händler auf der Agora von Svolvær kaufte ich dann auch keine Rentiersalami ab, weil eine touristische Abzocke auf der Hand lag, da seine Preise auch in Euro angeschrieben und dabei großzügig aufgerundet waren.
Für die Rückreise nach Bodø blieb mir durch die fortgeschrittene Tageszeit nur der Luxus der Hurtigruten zur Wahl, der für Studenten immerhin zum halben Preis zu haben war (250 NOK, also ca. 31 €). Über 8 Decks erstreckten sich Kabinen, Suiten, Cafés, Konferenzräume, ein Restaurant, ein Fitnesscenter, dampfende Whirlpools im Freien und mehrere Lounges. Die Inneneinrichtung war im Stil der Titanic gehalten. Zum regelrechten Stilbruch verkam allerdings die Aufforderung, sich beim Betreten des Schiffs die Hände mit auf Silbertabletts bereitgestellten Desinfektionsmitteln zu entkeimen. Ich richtete mir in der Aussichtslounge auf Deck 7 einen bequemen Couchplatz ein und kroch in meinen Hüttenschlafsack.
Um 2:30 legten wir in Bodø an, wo ich nach einer halben Stunde Marsch mit Stirnlampe schließlich in der Dämmerung Lunas Apartment erreichte. Da das Tor abends versperrt wird, hatte sie sich in ihrer aufopfernden Art einen Wecker gestellt, um mir eine weitere Nacht in ihrem Couchsurfing-Paradies zu ermöglichen. Wenn sie nicht am nächsten Tag frei gehabt hätte, hätte ich dieses Angebot sicher nicht angenommen.
woodmenka am 22. August 14
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13.8. Von Trondheim nach Bodø
Gestärkt durch ein schmackhaftes Himbeer-Müsli startete ich vollbepackt in den taufrischen, sonnigen Tag und blätterte für die Busfahrt zum Bahnhof stolze 50 NOK (ca. 6 €) hin. Im Zug nach Bodø war zunächst an Schlaf nicht zu denken, weil ich mich an der farbenprächtigen Landschaft gar nicht sattsehen konnte. Neben dem Trondheimsfjord erstreckten sich goldgelbe Weizenfelder, saftig grüne Wiesen und in der Entfernung zur Küste hin steil abfallende, bewaldete Hügel, zwischen deren Bäumen sich die malerischen Holzhäuser in den unterschiedlichen, kräftigen Farben als Kontrastpunkte abhoben. Allein die schön gepflegten Wartehäuschen entlang der Strecke stellten wahre Kunstwerke dar. Statt weiterer abgedroschener Phrasen lasse ich an dieser Stelle Bilder sprechen, aus dem fahrenden Zug aufgenommen.
Bei meiner Ankunft in Bodø erwartete mich Luna bei 20°C und Sonnenschein mit ihrem Fahrrad und wir unterhielten uns bestens während des halbstündigen Spaziergangs zu ihrem Apartment. Mit ihren 20 Jahren ist die gebürtige Dänin schon weit in der Welt herumgekommen, auch weil sie im Rahmen ihrer Ausbildung zum Zimmermann einige Praktika absolviert hat, u.a. seit 4 Monaten hier in Bodø. Sie wohnt direkt neben ihrem Arbeitsplatz und überließ mir deshalb für den nächsten Tag ihr Fahrrad. Nach einem Spaziergang zum Strand (in Flip-Flops nördlich des Polarkreises!), wo man mit Glück und Geduld gelegentlich Wale beobachten kann, wählten wir aus ihrem Fertigsaucen-Hamsterkauf beim Diskonter die Krönung für glutenfreie Spiralen. Sie umsorgte und bekochte mich äußerst großzügig und hatte Stadtpläne und Broschüren parat, die sie mir in ihr beneidenswert akzentfreies, fließendes Englisch übersetzte. Die Müdigkeit trieb mich noch vor 22 Uhr ins Bett, obwohl es draußen noch taghell war. Immerhin hat in Bodø im Juli noch die Mitternachtssonne geschienen. Luna schlief bereits wie ein Stein und wachte nicht einmal vom lautstark knarrenden Fenster auf, als ich es zumachte, um der nächtlichen Kälte und dem Fluglärm der Linien- und Militärflugzeuge zu entrinnen. Dafür überhörte ich es, als sie um 7 in die Arbeit ging. Sie vertraut ihren Mitbewohnern und Couchsurfern, die sie fast pausenlos auch während der Arbeitswoche aufnimmt, sodass sie ihr Zimmer nie absperrt und ihre Gäste angenehmerweise kommen und gehen können, wann sie möchten. Bei Luna erlebte ich eine luxuriöse Variante des Couchsurfings: ich hatte ein Bett, ein frisches Handtuch, ein Fahrrad und ein heimeliges Gefühl durch ihre natürliche, herzliche, humorvolle und kommunikative Art.
woodmenka am 22. August 14
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12.8. Trondheim
Tiefenentspannt wachte ich auf und besorgte mir die Zutaten für mein Frühstück vom Bunnpris, einem Diskonter. 420 g Joghurt erhält man um umgerechnet 2 €, obwohl Norwegen massiv Viehwirtschaft betreibt und regionale Produkte fördert. Am späten Vormittag begab ich mich alleine auf einen ausgedehnten Erkundungsmarsch durch das verschlafene Trondheim, dessen Studenten erst ab nächster Woche für merkbare Belebung der Stadt sorgen, die sich unter anderem in sprunghaft steigenden Bierpreisen äußert. Mein Spaziergang führte mich die Nidelva entlang zur Werft (Nedre Elvehavn) und durch die Fjordgata (gata = Gasse) zu einer geruchsarmen fiskehall (Übersetzung überflüssig) neben dem Anlegeplatz für die Schnellboote nach Munkholmen (= Mönchsinsel) mit ihrem Benediktinerkloster. Von der Innenstadt war ich ein wenig enttäuscht, weil erstens viel gebaut wurde und sie zweitens überraschend eng begrenzt war. Sämtliche Kirchenportale waren versperrt. Dafür befindet sich die heutige Bibliothek auf kirkeruiner, wovon ein halbwegs vollständiges Skelett in einem Glaskasten zeugt, der dekorativ neben einem Holzsteg platziert ist. Im Visensenteret (= Wissenszentrum) war für die Kleinen eine Sonderausstellung liebevoll aufbereitet, die ich mir auch gern angesehen hätte. Weiter flussabwärts passierte ich den Garten einer Tierliebhaberin, die u.a. für zwei Schwäne eine Badewanne aufgestellt hat, aus der sie allerdings auch trinken.
Im Rettsmuseum (= Rechtsmuseum), dem ehemaligen kriminalasylet (= Strafgefängnis), besichtigte ich bei freiem Eintritt eine Ausstellung über Polizeiuniformen und Dienstwaffen einst und jetzt, wobei selbst das Modell aus 1995 recht antiquiert und nicht ganz ernst zu nehmend wirkte. Detailgetreue Nachbauten einer alten Wachstube, einer Gefängniszelle, einer Festnahme einer Betrunkenen auf offener Straße unter den neugierigen Augen einer Nachbarin (ziemlich zeitlos) und eines Nachtwächters versetzten mich in eine nicht sehr rosige Zeit. Als Irrenhaus war das Gebäude bis 1960 in Betrieb!
Auf dem Weg zum Gjestehavn (= Gästehafen) holte mich das Rauschen des Meeres, das laufend von vorbeifahrenden Zügen unterbrochen wurde, zurück in die Gegenwart. Beim Bau der Bahnunterführung wurde offenkundig an Rädern Maß genommen, da sich die Pedalritter und Fußgänger bücken müssen, um sich keine Beule am Stahlgerüst zu holen. Vorbei an niedlichen Traumhäusern in der Hafenpromenade sichtete ich den perfekten Jausenplatz mit Blick aufs offene Meer. Zum Glück hatte eine behäbige Dame im stiftsgården alle Möwen und Tauben bei sich versammelt, sodass ich von gelebtem Futterneid verschont wurde.
Der Rückweg führte mich über die fünfte Brücke des Tages am Leichtathletikstadion vorbei, dessen Bahn verlockend in der Nachmittagssonne glühte. Auf dem Universitätsgelände fand ich endlich in Ansätzen das, wofür Trondheim bekannt ist: orientierungslose Studenten, die sich an die Fersen ihres fadders (= Tutor) hefteten, ohne den sie hier hoffnungslos verloren wären – Gleichgesinnte! Nach einem nicht weiter erwähnenswerten Aussetzer meines Orientierungssinns fand ich in Simons Wohnung zurück. Dort bereiteten wir ein multikulturelles Menü zu. Für seinen ugandischen Suppeneintopf taute er alle 7-10 in Plastik eingeschweißten Ochsenkochen in der Mikrowelle auf und warf sie dann ins kochende Wasser. Daneben köchelten meine französischen Erdäpfel für eine österreichische Studentenpfanne. Simon hatte eine Zeit lang als Koch gearbeitet und staunte nicht schlecht, als ich den Brokkoli samt klein geschnittenem Strunk dazugab. Er kostete den vermeintlichen Abfall und stellte fast überrascht fest, dass er auch nach Brokkoli schmeckte. Als ich ihn dann hysterisch daran hinderte, den abgeschöpften Fond seiner Ochsenbrühe wegzukippen, und ihn stattdessen trank, stempelte er mich endgültig als verrückt ab. Er dickte seinen Eintopf mit einer Fertig-Currysauce und grünen Bohnen aus der Dose ein und würzte kräftig mit Cayennepfeffer nach. Wir verspeisten beide Gänge gleichzeitig und diesmal lehnte ich das großzügige Viertel verdauungsfördernden, portugiesischen Rotweins nicht ab. Trotz meiner passablen Chili-Toleranz rührte mich der Eintopf zu Tränen, während Simon den Schärfegrad als „normal” abtat. Er erzählte mir von einem libanesischen Abendessen bei Bekannten, das so scharf war, dass er sich betrinken musste, weil er nichts davon essen konnte. Nach diesem kulinarischen Höhepunkt meines Aufenthalts ging Simon ins Fitnesscenter und ich mit einem Becher in den Wald, da ich der Verlockung der kleinen Himbeeren nicht widerstehen konnte. Zügig hatte ich den Becher halb voll, als eine französische Studentin verwundert stehen blieb und auch von den Sträuchern naschte. Dem Ruf einer Kräuterhexe machte ich spätestens dann alle Ehre, als auf dem Heimweg zwei schwarze Katzen unseren Weg kreuzten. In der Dämmerung sprachen wir noch gegenseitige Couchsurfing-Einladungen nach Paris und Wien aus, bevor wir uns trennten.
Zurück bei Simon sah ich zum ersten Mal unsynchronisierte amerikanische Serien mit norwegischen Untertiteln und kabarettreife norwegische Werbungen, die mich hier noch länger begleiten werden. Da ich Simons Biorhythmus nicht völlig aus der Bahn werfen wollte, plante ich mit seiner Hilfe meine öffentliche Abreise am nächsten Morgen und verabschiedete mich vorsorglich von ihm, da er garantiert nicht um 6 Uhr aufwachen würde.
woodmenka am 22. August 14
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11.8. Von Oslo nach Trondheim und Uganda
Wer reisen will, steht gern früh auf. Während die anderen noch im Reich der Träume verweilten, aus dem sie regelmäßig durch das „Knatschen” der Luftmatratzen erwachten, sobald sich jemand im Schlaf wälzte, brach ich bei strömendem Regen mit Rucksack, 2 Taschen und einer Isomatte in der Hand zu Fuß zum Hauptbahnhof auf. Da der Zug ausgebucht war, musste ich insgesamt dreimal den Sitzplatz wechseln, bis ich schließlich sogar am Fenster das Panorama genießen konnte. Zur Bestätigung der unmotivierenden, weil nicht vorhandenen, sprachlichen Barriere brillierten sogar die Durchsagen mit klar artikuliertem, akzentfreiem Englisch. Zunächst führte die malerische Fahrt am Flughafen vorbei, die Møsja und den Furnestfjorden entlang bis nach Lillehammer. Leider sind die Fotos aus dem fahrenden Zug mit Regenschleiern auf den Fenstern nicht besonders gut geworden. Sie könnten aber auch bei perfekten Bedingungen nie die atemberaubende Kulisse mit den kontrastbetonenden Lichtverhältnissen der Wirklichkeit widerspiegeln.
Weiter durch die Hedmark und Oppland nach Norden passiert man Kvitfjell, Ringebu, Vinstra, Kvam und Otta an der Lågen. Wie ich mit halbem Ohr einem Gespräch eines Norwegers mit einem Italiener entnehmen konnte, stellt Wasserkraft die bedeutendste Art der Energieversorgung in Norwegen dar. Die Verkaufszahlen von Elektroautos sind dank großzügiger Förderungen, Gratis-Tankstellen und freier Parkplatzwahl im Aufwind.
Über Dombås mühte sich der Zug nach Hjerkinn auf über 1000 Meter Seehöhe und Kongsvoll, bevor es zwischen steilen, üppig bewaldeten Hügeln des Drivdalen abwärts nach Oppdal ging.
Gern wäre ich den Wanderern in die satte Natur gefolgt, freute mich aber noch mehr auf meinen Aufenthalt in Trondheim, der ersten Hauptstadt Norwegens. Dort wurde ich nach knapp 7 Stunden Fahrt von Simon, meinem ersten Couchsurfing-Host, in seinem orangen Mazda aufgepickt. Der 28-jährige IT-Student aus Uganda, der seit 8 Jahren in Trondheim lebt, kutschierte mich zunächst in seine bescheidene Studentenbude. Durch seinen ungewöhnlich starken Akzent war schon die Verständigung nicht ganz einfach und auch sonst hatten wir ein paar unterschiedliche Auffassungen. Den anschließenden Stadtbummel empfand er als 20-km-Marsch, obwohl er täglich die Kraftkammer aufsucht und eine entsprechende Statur hat. Waldhimbeeren sind ihm zu klein, zu Hause pflegt er „ein paar Minuten” Egoshooter-Videospiele zu spielen und daneben an seiner Cloud zu programmieren. Mit der Begeisterung eingeschlafener Füße brachte er mir ein paar Eigenheiten von Trondheim, unter anderem den einzigen Fahrradlift der Welt, näher. Dessen Benutzung erfordert dermaßen viel Geschick und Übung, dass meine Kameramotive allesamt scheiterten und wahrscheinlich die ca. 100 Meter schneller und sogar kräftesparender durch eigene Muskelkraft überwunden hätten.
Am Abend unterhielten wir uns bei mexikanischem Eintopf aus der Dose, zu denen Simon Pasta kochte, die er bereits ins kalte Wasser gab und nicht salzte (typisch norwegisch oder ugandisch?), über Ugandas und Österreichs Nationalgerichte. Nachdem er mir Bilder ugandischer Ananas und Avocados von gigantischem Wuchs gezeigt hatte, verstand ich seine Ansicht über die winzigen Waldhimbeeren um einiges besser. Danach brach Simon zu einem Freund auf, um sich seine Fleischlieferung aus Schweden abzuholen. Es gibt tatsächlich täglich eine kostenlose, eineinhalbstündige Busverbindung bilateralen Interesses zwischen Trondheim und dem nächstgelegenen schwedischen Einkaufszentrum, in dem sich die Norweger mit billigem Fleisch und Alkohol aus dem Nachbarland eindecken. Die Schweden fahren ihrerseits nach Dänemark und die Dänen nach Polen. Diese wechselseitige Freundschaft, analog zur österreichischen Beziehung zu den Deutschen, endet jäh bei sportlichen Vergleichen und gipfelt in manch bösen Witzen.
Dankenswerterweise respektierte Simon meine Schlafgewohnheiten, trennte sich von seinen Videospielen und zog sich mit seinem Laptop zurück, damit ich auf der ziemlich bequemen Couch eine frühe Nacht haben konnte. Mittlerweile gelingt es mir, auch bei Tageslicht – hier war es erst um 22:30 finster – zu schlafen.
woodmenka am 22. August 14
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5. & 6.8.2014: Erste Eindrücke
Nach der planmäßigen Landung auf dem Osloer Flughafen mitten im Wald und umgeben von den herzigen roten Häusern mit weißen Dächern, die für mich seit den „Kindern aus Bullerbü” eine spezielle Bedeutung haben, brachte mich der Flybussen am Dienstag zu Mittag sicher, weil selbstverständlich angeschnallt wie alle anderen Passagiere, ins Zentrum. Die Schlüsselübergabe durch Gordon, einen irischen, multi-lingualen Arbeitskollegen desjenigen Arbesbachers, in dessen Wohnung ich bis auf weiteres unterkommen darf, brachte mir auch das unglaubliche Angebot für ein Leih-Rad ein. Andi, der Arbesbacher, ist gerade auf Urlaub und kommt am Samstag zurück. Nachdem ich mich mit Sack und Pack von der U-Bahn-Station zur Wohnung in der Nähe des Munch-Museums gekämpft hatte, richtete ich mich häuslich ein und verbrachte gut 1,5 Stunden in einem Supermarkt mit dem ersten Großeinkauf. Gordon brachte mir das Leih-Rad vorbei, wobei er selbst mit seinem Rad unterwegs war und es mir ein Rätsel bleibt, wie er 2 Räder gleichzeitig gesteuert hat, und gab mir noch einige nützliche Tipps. Nach einer sehr brenzligen Beinahe-Panne mit dem ungewohnten Herd war mir doch ein delikates Menü vergönnt. Die Fenster gehen leider nicht ganz auf, deswegen ist ein Querlüften nicht möglich, aber mittlerweile liegt nur mehr ein Hauch von überhitztem Rapsöl in der Luft. Obwohl mich der lange Anreisetag eigentlich zeitig ins Bett treiben hätte müssen, übersah ich ein wenig die Zeit. Da es erst um 21:30 dämmert, bin ich geneigt, das mangels außer-europäischer Reisedestinationen meinerseits schon als kleinen Jet-Lag zu bezeichnen.
Die Sonne geht im Moment kurz nach 5 Uhr auf, sodass es 16,5 Stunden hell ist. Allerdings wird der Tag an beiden Enden täglich um 2-3 Minuten kürzer. Bis 17.8. verlieren wir so eine ganze Stunde. Und recht viel weiter will ich gar nicht denken. Trotzdem hab ich mich heute ausgeschlafen und erst spät einen Lauf auf den Ekeberg unternommen. Wenn man schließlich oben ankommt, hat man einen beeindruckenden Ausblick auf den Oslofjord und die Chance auf ein paar wild wachsende Himbeeren. Den Nachmittag verbrachte ich bei beinah ungetrübtem Sonnenschein auf dem Balkon, auf der Suche nach einer definitiven Bleibe und mit der Planung meiner Interrail-Tour mit Couchsurfen. Ich starte am 11.8. nach Trondheim, fahre am 13.8. nach Bodo, am 15.8. nach Mo i Rana, am 17.8. über Trondheim nach Lillehammer, wo ich nur einen Tag verbringen werde, bevor es am 18.8. zurück nach Oslo geht. Nach einer Nacht in meiner derzeitigen waldviertlerischen Unterkunft mache ich mich auf nach Bergen, um eine meteorologische Freundin zu besuchen und mit ihr und ihrem Freund ein paar aufregende Tage in der Gegend zu verbringen. Auf das Fischen freu ich mich schon! Rund um den 24.8. werde ich nach Kristiansand fahren und dort noch 2 Tage bleiben, bevor ich zurück nach Oslo komme. Schließlich steht am Wochenende drauf der erste Besuch an.
Am frühen Abend holte mich heute Gordon mit dem Rad ab und zeigte mir in einer ausgiebigen Tour ein paar Gustostückerl von Oslo. Wir waren im Ausländer-Viertel, das mit günstigen und guten Obst-, Gemüse- und Fleisch-Märkten besticht (sogar die Einheimischen kaufen dort ein, was ja meist ein Qualitätskriterium darstellt), AUF der Oper (das Gebäude ist fahrradtauglich), sind die Uferpromenade entlang nach Westen bis zur „Halbinsel” Bygdoy gefahren. Dort befinden sich die königliche Residenz sowie der königliche Bauernhof inkl. Rinderherde, Steyr-Traktoren (anzunehmen...) und Landluft. Wenige 100 Meter trennen diese Idylle von den Nobelvillen der Superreichen. Und wieder wenige 100 Meter sind es von dort ans touristisch erschlossene Meer. Sogar die WC-Hütten sind rot mit weißen Dächern! Das Wasser fühlt sich zumindest an den Zehen weit wärmer als der Kamp an. Diese facettenreiche Fahrradtour hat mir zahlreiche Anregungen gegeben, was ich mir in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten genauer ansehen möchte. Danke, Gordon!!!
woodmenka am 10. August 14
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