11.8. Von Oslo nach Trondheim und Uganda
Wer reisen will, steht gern früh auf. Während die anderen noch im Reich der Träume verweilten, aus dem sie regelmäßig durch das „Knatschen” der Luftmatratzen erwachten, sobald sich jemand im Schlaf wälzte, brach ich bei strömendem Regen mit Rucksack, 2 Taschen und einer Isomatte in der Hand zu Fuß zum Hauptbahnhof auf. Da der Zug ausgebucht war, musste ich insgesamt dreimal den Sitzplatz wechseln, bis ich schließlich sogar am Fenster das Panorama genießen konnte. Zur Bestätigung der unmotivierenden, weil nicht vorhandenen, sprachlichen Barriere brillierten sogar die Durchsagen mit klar artikuliertem, akzentfreiem Englisch. Zunächst führte die malerische Fahrt am Flughafen vorbei, die Møsja und den Furnestfjorden entlang bis nach Lillehammer. Leider sind die Fotos aus dem fahrenden Zug mit Regenschleiern auf den Fenstern nicht besonders gut geworden. Sie könnten aber auch bei perfekten Bedingungen nie die atemberaubende Kulisse mit den kontrastbetonenden Lichtverhältnissen der Wirklichkeit widerspiegeln.
Weiter durch die Hedmark und Oppland nach Norden passiert man Kvitfjell, Ringebu, Vinstra, Kvam und Otta an der Lågen. Wie ich mit halbem Ohr einem Gespräch eines Norwegers mit einem Italiener entnehmen konnte, stellt Wasserkraft die bedeutendste Art der Energieversorgung in Norwegen dar. Die Verkaufszahlen von Elektroautos sind dank großzügiger Förderungen, Gratis-Tankstellen und freier Parkplatzwahl im Aufwind.
Über Dombås mühte sich der Zug nach Hjerkinn auf über 1000 Meter Seehöhe und Kongsvoll, bevor es zwischen steilen, üppig bewaldeten Hügeln des Drivdalen abwärts nach Oppdal ging.
Gern wäre ich den Wanderern in die satte Natur gefolgt, freute mich aber noch mehr auf meinen Aufenthalt in Trondheim, der ersten Hauptstadt Norwegens. Dort wurde ich nach knapp 7 Stunden Fahrt von Simon, meinem ersten Couchsurfing-Host, in seinem orangen Mazda aufgepickt. Der 28-jährige IT-Student aus Uganda, der seit 8 Jahren in Trondheim lebt, kutschierte mich zunächst in seine bescheidene Studentenbude. Durch seinen ungewöhnlich starken Akzent war schon die Verständigung nicht ganz einfach und auch sonst hatten wir ein paar unterschiedliche Auffassungen. Den anschließenden Stadtbummel empfand er als 20-km-Marsch, obwohl er täglich die Kraftkammer aufsucht und eine entsprechende Statur hat. Waldhimbeeren sind ihm zu klein, zu Hause pflegt er „ein paar Minuten” Egoshooter-Videospiele zu spielen und daneben an seiner Cloud zu programmieren. Mit der Begeisterung eingeschlafener Füße brachte er mir ein paar Eigenheiten von Trondheim, unter anderem den einzigen Fahrradlift der Welt, näher. Dessen Benutzung erfordert dermaßen viel Geschick und Übung, dass meine Kameramotive allesamt scheiterten und wahrscheinlich die ca. 100 Meter schneller und sogar kräftesparender durch eigene Muskelkraft überwunden hätten.
Am Abend unterhielten wir uns bei mexikanischem Eintopf aus der Dose, zu denen Simon Pasta kochte, die er bereits ins kalte Wasser gab und nicht salzte (typisch norwegisch oder ugandisch?), über Ugandas und Österreichs Nationalgerichte. Nachdem er mir Bilder ugandischer Ananas und Avocados von gigantischem Wuchs gezeigt hatte, verstand ich seine Ansicht über die winzigen Waldhimbeeren um einiges besser. Danach brach Simon zu einem Freund auf, um sich seine Fleischlieferung aus Schweden abzuholen. Es gibt tatsächlich täglich eine kostenlose, eineinhalbstündige Busverbindung bilateralen Interesses zwischen Trondheim und dem nächstgelegenen schwedischen Einkaufszentrum, in dem sich die Norweger mit billigem Fleisch und Alkohol aus dem Nachbarland eindecken. Die Schweden fahren ihrerseits nach Dänemark und die Dänen nach Polen. Diese wechselseitige Freundschaft, analog zur österreichischen Beziehung zu den Deutschen, endet jäh bei sportlichen Vergleichen und gipfelt in manch bösen Witzen.
Dankenswerterweise respektierte Simon meine Schlafgewohnheiten, trennte sich von seinen Videospielen und zog sich mit seinem Laptop zurück, damit ich auf der ziemlich bequemen Couch eine frühe Nacht haben konnte. Mittlerweile gelingt es mir, auch bei Tageslicht – hier war es erst um 22:30 finster – zu schlafen.
woodmenka am 22. August 14
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